Gewaltschutz und Flucht:
Kirchenasyl

1. Was ist Kirchenasyl?

Kirchenasyl bedeutet die vorübergehende Aufnahme von geflüchteten Menschen durch religiöse Gemeinden – zum Teil auch unabhängig vom Glauben der Asylsuchenden. Ziele sind die Abwendung einer Abschiebung in Gefahrensituationen (auch bei sogenannten Dublin III-Abschiebungen) sowie die Wiederaufnahme oder erneute Prüfung des Asylbegehrens bzw. eine Härtefallprüfung durch die dafür zuständigen staatlichen Behörden.

2. Wie funktioniert Kirchenasyl?

Die Entscheidung, Kirchenasyl zu gewähren, wird meistens von Gemeindeleitungen bzw. -räten getroffen. Die Gemeinde kann Beratung erhalten von Stellen für Flüchtlings-, Migrationsbeauftragte oder Flüchtlingspfarrämter, die viele Landeskirchen und Bistümer eingerichtet haben. Außerdem können (kirchliche) Beratungsstellen, Migrationsdienste sowie die lokalen Arbeitskreise „Asyl in der Kirche“ die Vorbereitung und Durchführung eines Kirchenasyls unterstützen.

Die Ausländerbehörde bzw. die zuständige Behörde wird über den Entschluss der Gemeinde, Kirchenasyl zu gewähren, von der Gemeinde informiert.

Die asylgewährende Gemeinde stellt einen Raum zum Wohnen, Kochen und mit sanitärer Einrichtung zur Verfügung. Häufig gibt es einen Unterstützer*innen-Kreis, der den Gemeindevorstand und -mitarbeiter*innen sowie die geflüchteten Menschen im Alltag unterstützt (z.B. Vernetzung mit Initiativen vor Ort und Gespräche mit Anwält*innen und Behördenvertreter*innen).

Kirchenasyl wird in den meisten Fällen über Spenden der Gemeinde finanziert. Die Dauer kann von ein paar Wochen bis zu mehreren Monaten variieren.

3. Änderungen seit August 2018

Bei vielen Kirchenasylen, die nach dem 01. August 2018 ausgesprochen wurden, verlängert das BAMF die Überstellungsfrist in den EU-Mitgliedstaat von 6 auf 18 Monate.

Die Überstellungsfrist wird demnach auf 18 Monate verlängert, wenn:

1. bei Mitteilung des Kirchenasyls an die Behörden die Ansprechperson für das verfasste Dossier nicht erkennbar ist.

2. innerhalb von vier Wochen nach Kirchenasylgewährung kein Härtefalldossier zur Begründung eingereicht wurde. Ein Nachreichen von Unterlagen ist grundsätzlich nicht vorgesehen. Ausnahmen sind z.B. fachärztliche Gutachten, wenn nachweisbar bereits ein Termin bei entsprechenden Fachärzt*innen vereinbart wurde.

3. ein Kirchenasyl im Fall eines negativ beschiedenen Dossiers nicht innerhalb von drei Tagen beendet wird. Dieses Zeitfenster wäre selbst bei Bereitschaft zur Beendigung nicht umsetzbar. Kirchengemeinden entscheiden selbst über die Beendigung eines Kirchenasyls. Nach einem abgelehnten Dossier wird der jeweilige Gemeindekirchenrat beraten, wie die veränderte Situation zu bewerten ist.

Wird ein Dossier zur Vermeidung von Kirchenasyl abgelehnt und danach Kirchenasyl gewährt, wird die Überstellungfrist ebenfalls auf 18 Monate verlängert. Selbst wenn ein Dossier weniger als zwei Wochen plus einen Tag vor Ablauf der Überstellungsfrist beim BAMF eingeht, ist laut Aussage des BAMF eine Bearbeitung nicht mehr möglich, sodass auch hier die Verlängerung erklärt wird (https://www.nds-fluerat.org/wp-content/uploads/2018/09/BAMF-Merkblatt.pdf).

Eine Verlängerung der Überstellungsfrist im Dublin-Verfahren auf 18 Monate ist aber nach der Dublin-III-Verordnung nur möglich, wenn die Person „flüchtig“ ist, also einer Aufforderung, sich zur Abschiebung einzufinden, nicht Folge geleistet hat oder etwa keine polizeilich Anmeldung (mehr) hat und als untergetaucht gilt.

Der Bewertung des BAMF, Personen im Kirchenasyl unter den oben genannten Voraussetzungen als „flüchtig“ zu behandeln und die Überstellungsfrist entsprechend zu verlängern, wird aber von den Verwaltungs- und auch Oberverwaltungsgerichten weitgehend widersprochen. In erster Linie wird von den Gerichten damit argumentiert, dass die Behörden weder rechtlich noch tatsächlich daran gehindert seien, die Überstellung einer Person, die sich im Kirchenasyl befindet, durchzuführen. Der Staat verzichte vielmehr darauf, sein Recht durchzusetzen. Ein Sonderrecht der Kirchen, welches die Behörden daran hindern würde, eine Überstellung – ggf. durch unmittelbaren Zwang – durchzuführen, gäbe es nicht.

In Folge der verschärften Vorgehensweise des BAMF sind die Plätze an Kirchenasyl stark gesunken. Viele Gemeinden sind eingeschüchtert und haben zum Teil Angst vor strafrechtlichen Konsequenzen. Gemeinden, die weiterhin Geflüchtete im Kirchenasyl aufnehmen, müssen sich nun in der Regel auf 1½ Jahre Unterstützung einstellen. Die Unsicherheit nun auch im Kirchenasyl und die Unklarheit über dessen Dauer führen zudem bei den Geflüchteten zu einer zusätzlichen enormen psychischen Belastung. Rechtsprechung zu diesem Thema findet sich in der Entscheidungsdatenbank von asyl.net mit den Schlagwörtern „Kirchenasyl“ und „Dublinverfahren“.