Mehrfachdiskriminierung
Merkmale und Tatsachen
Der Begriff Mehrfachdiskriminierung bezieht sich auf Erfahrungen von Menschen, die Diskriminierung (d.h. Ausgrenzung oder Benachteiligung) aus mehr als einem Grund erfahren.
Sehr viele Menschen sind in der einen oder anderen Form von Mehrfachdiskriminierung betroffen. Diskriminierung kann dabei auf der institutionellen, symbolischen und/oder personalen (d.h. zwischenmenschlichen) Ebene auftreten.
Mehrfachdiskriminierung schränkt den Zugang von Menschen zu gesellschaftlichen Ressourcen (z.B. Rechte, Wohnraum, Bildung) ein und hat zudem weitreichende psychische Folgen.
In der breiten Öffentlichkeit und in der Politik findet Mehrfachdiskriminierung bislang jedoch zu wenig Beachtung.
Mit Diskriminierung ist die Benachteiligung einer Gruppe oder einer Einzelperson aufgrund von zugeschriebenen Gruppen- bzw. Identitätsmerkmalen gemeint.
Diese Merkmale müssen von den betroffenen Personen selbst nicht als solche wahrgenommen werden. D.h. die Personen müssen sich mit der Gruppe, als deren Teil sie diskriminiert werden, nicht unbedingt identifizieren.
Grundlage von Diskriminierung ist außerdem immer eine Unterscheidung in „Wir“ und „die Anderen“, wobei „die Anderen“ zum Zwecke der Aufwertung der eigenen Gruppe abgewertet werden.
Jede Person gehört gleichzeitig – bewusst oder unbewusst, selbstbestimmt oder zugeschrieben – immer verschiedenen sozialen Feldern an. Und auch Diskriminierung bezieht sich nicht immer nur auf ein einzelnes Merkmal der Person, die diskriminiert wird.
So haben beispielsweise lesbische Frauen nicht nur eine sogenannte sexuelle Orientierung, sondern auch eine (oder mehrere) bestimmte (oder unbestimmte) geschlechtliche Identität(en), eine Herkunft, eine Hautfarbe, einen Körper mit einer bestimmten Befähigung oder Beeinträchtigung, bestimmte materielle und finanzielle Ressourcen usw.
Solche Mehrfachzugehörigkeiten bedeuten, dass Menschen auch mehrfach und in verschiedenen Formen diskriminiert werden (können). So sind beispielsweise Frauen nicht „nur“ von Sexismus, sondern ggf. auch von Rassismus, Ableism (Diskriminierung aufgrund von Behinderung/Beeinträchtigung), Homophobie, Ageism (Altersdiskriminierung), Klassismus (Diskriminierung aufgrund der sozialen Herkunft oder Position), Diskriminierung aufgrund der Religionszugehörigkeit, politisch motivierter Diskriminierung, Lookism (Diskriminierung aufgrund der Abweichung von normativen Schönheitsidealen) und/oder Transphobie betroffen.
Dabei geht es nicht darum, Formen von Diskriminierung zu hierarchisieren, sondern darum anzuerkennen, dass Betroffene Mehrfachdiskriminierung als eine spezifische Diskriminierungsform erleben, die nicht das Gleiche ist wie Diskriminierung, die sich auf eine einzelne Zugehörigkeit bezieht.
Sie lässt sich meistens auch nicht einfach dadurch erklären, dass die Diskriminierungen einzelner Zugehörigkeiten schlicht addiert werden.
Bisher steht in Politik, Rechtspraxis, Forschung und auch Beratung der Blick auf Einzelzugehörigkeiten im Vordergrund. Solch ein eingeschränkter Fokus nimmt Bedürfnisse und Interessen vieler Personen nicht wahr und ignoriert die spezifischen Erfahrungen von Menschen mit Mehrfachzugehörigkeiten.
Zudem birgt diese Einengung immer die Gefahr, Diskriminierungen gegeneinander aufzuwiegen. Es wird dann beispielsweise behauptet, dass Rassismus schlimmere Auswirkungen als Homophobie habe oder dass das Äußern von Erfahrungen mancher Diskriminierungen andere Problemlagen in den Hintergrund rücken würde.