Sexueller Missbrauch
Merkmale und Tatsachen
Sexueller Missbrauch ist jede sexuelle Handlung, die an, mit oder vor Kindern und Jugendlichen gegen deren Willen vorgenommen wird oder der sie aufgrund körperlicher, seelischer, geistiger oder sprachlicher Unterlegenheit nicht wissentlich zustimmen können. Bei unter 14-Jährigen gilt, dass sie grundsätzlich nicht zustimmungsfähig sind.
Die Polizeiliche Kriminalstatistik von 2021 weist ca. 15.500 Fälle von angezeigtem sexuellen Missbrauch aus (§ 176, 176a, 176b StGB). Expert*innen gehen von einer 6-20mal höheren Dunkelziffer aus.
In 9 von 10 Fällen kommen die Täter*innen aus dem sozialen Umfeld der Betroffenen, in vielen Fällen aus der Familie.
Sexueller Missbrauch ist keine gewalttätige Form von Sexualität, sondern eine sexuelle Form von Gewalt. Ihr liegt immer ein Machtmissbrauch zugrunde.
Oft geht sexueller Missbrauch mit anderen Gewaltformen einher, etwa mit psychischer oder körperlicher Gewalt.
Sexueller Missbrauch liegt z.B. dann vor, wenn eine erwachsene oder deutlich ältere Person
- Mädchen oder Jungen dazu bewegt, sexuelle Handlungen an sich selbst, anderen Kindern oder der erwachsenen Person vorzunehmen,
- sie auffordert, sich nackt zu zeigen,
- ihnen pornografische Aufnahmen zeigt oder sie dazu bewegt, bei solchen Aufnahmen mitzumachen,
- sexuelle Handlungen am Körper von Mädchen oder Jungen vornimmt,
- mit Mädchen oder Jungen analen, oralen oder vaginalen Geschlechtsverkehr ausübt.
Bei über 80% der Fälle beginnt der Missbrauch im Alter zwischen 0 und 12 Jahren, eine Häufung findet sich in der Altersgruppe der 5- bis 8-Jährigen.
Täter*innen nutzen ihre Macht- und Autoritätsposition und ein bestehendes Vertrauensverhältnis aus, um eigene Bedürfnisse auf Kosten des Kindes bzw. der jugendlichen Person zu befriedigen.
Motive sind dabei nicht in erster Linie sexuelle Bedürfnisse, sondern das Verlangen nach Macht und Unterwerfung. Die Taten sind oft systematisch geplant, die Ängste, Schuld- und Schamgefühle der betroffenen Kinder und Jugendlichen werden strategisch genutzt, um unentdeckt zu bleiben.
Im Verlauf eines fortgesetzten Missbrauchs geraten betroffene Kinder zunehmend in verwirrende, beängstigende und häufig auch gegensätzliche Gefühle.
Vielfältige Ängste bestimmen ihren Alltag, wie die Angst vor Wiederholung der Übergriffe, die Angst vor körperlichen Schmerzen, die Angst vor Entdeckung und davor, dass die Drohungen des Täters oder der Täterin wahr werden. Mit den Ängsten sind Gefühle von Ohnmacht, Hilflosigkeit und Ausweglosigkeit verbunden.
Von sexuellem Missbrauch betroffene Kinder erfahren, dass ihr Körper für die Befriedigung anderer benutzt wird. Ihre persönlichen Grenzen, ihre Bedürfnisse und Willensäußerungen werden immer wieder übergangen. Daraus resultieren Gefühle von Demütigung und Erniedrigung.
Fortgesetzter sexueller Missbrauch ist meist verbunden mit Verwirrung und Zweifeln an der eigenen Wahrnehmung. Ein vertrauter und oftmals auch geliebter Mensch tut dem Kind Gewalt an und versucht dabei gezielt, die Gefühle des Kindes zu leugnen, z.B. indem er sagt: „Das macht dir doch Spaß.“ Indem Täter*innen den Kindern verbieten, anderen Menschen davon zu erzählen, geraten die Kinder in Isolation und können ihre Wahrnehmung nicht durch den Austausch mit anderen Personen überprüfen. Schuld- und Schamgefühle verhindern dies zusätzlich.
Das öffentliche Bewusstsein ist im Hinblick auf sexuellen Missbrauch immer noch mit vielen Mythen und Fehleinschätzungen behaftet.
Auch diese erschweren es Betroffenen, über Erlebtes zu sprechen und sich Hilfe zu holen. Aufgabe von Gewaltprävention ist es demnach unter Anderem, solchen Mythen die Tatsachen entgegenzustellen.